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Zu Klaus Rüdiger Mais Streitschrift. Ein Gastbeitrag von Alexander Meschnig

Vorbemerkung:

Der bekannte französische Schriftsteller Michel Houellebecq deutet immer wieder an, dass der Katholizismus die einzige Macht ist, die Frankreich vor der Islamisierung noch bewahren könnte.

Damit meint er aber den in Frankreich besonders starken traditionalistischen Katholizismus, der sich an Päpsten wie Pius XII und Benedikt XVI. orientiert und das Entkatholisierungsprogramm von Franziskus entweder ignoriert oder bekämpft.

Es ist ein Katholizismus, der gerade weil er das Heilige ins Zentrum stellt und das profane diesem unterordnet, unpolitisch ist und doch – als von der Politik verschieden – auf diese einen korrigierenden Einfluss nehmen kann.

Das ist dem mit dem System Merkel weitgehend gleichgeschalteten politischen Katholizismus und Protestantismus in Deutschland praktisch nicht mehr möglich.

Vor diesem Hintergrund haben die folgenden Ausführungen von Alexander Meschnig, die einen Essay des Lutheraners Klaus-Rüdiger Mai vorstellen, höchste Aktualität

(David Berger)

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IV.

Die großen Amtskirchen in Deutschland haben seit Jahren mit einem massiven Mitgliederschwund zu tun. So verlor die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) von 1990 auf 2016 fast acht Millionen Mitglieder. In den USA schließen sich immer größere Teile der Protestanten fundamentalistischen oder evangelikalen Kirchen an, offensichtlich fürchten sie eine „Profanisierung ihres Glaubens“ und sehnen sich nach eindeutigen Sinnangeboten. Auch Klaus-Rüdiger Mai verweist auf den Verlust der eigentlichen Essenz der Kirche: Aus Furcht, dass die Kirche bedeutungslos werden könnte, macht sie sich klein, indem sie sich all dessen beraubt, was ihr Bedeutung verleiht.“

Deshalb muss sie sich wieder auf ihre Kernaufgaben besinnen, für den Autor: „Gottesdienst, Bibelstudium, Seelsorge, Diakonie, Bildung und Mission.“

Insbesondere der letzte Punkt trifft ein heikles Thema, da ja andere Religionen in politisch korrekter Manier in Deutschland nicht „diskriminiert“ werden dürfen. In einem Text zu ‚Reformation und Islam‘ von 2016, den Mai exemplarisch zitiert, heißt es: Es stellt sich die Frage,

„wie die darin zum Ausdruck gebrachte Exklusivität Jesu Christ in einer religiös pluralen Gesellschaft so benannt werden kann, dass sie im Dialog nicht als anmaßend oder überheblich wahrgenommen wird.“

Die Idee, dass der eigene Glaube über einem anderen stehen könnte und dieser dadurch abgewertet wird, zeigt nur die Beliebigkeit des Eigenen im Namen eines moralischen Universalismus, der die Kirchen längst erreicht hat. Insbesondere im Verhältnis zum Islam zeigen sich seit längerem zahlreiche Unterwerfungsrituale kirchlicher Würdenträger.

Aus christlicher Mission, so der Autor, wird Soumission (Unterwerfung). Die Folgen davon sind täglich im Umgang mit dem Islam zu sehen. Für den französischen Schriftsteller Maurice Dantec ist aber einzig eine spirituelle Macht wie das Christentum dazu imstande, den Kampf mit einer anderen spirituellen Macht, wie dem Islam, aufzunehmen.

Fraglich bleibt allerdings, wer für eine solche Re-Christianisierung Deutschlands sorgen sollte?
Vor allem – und das zeigt Mai in aller Deutlichkeit – sind die Amtskirchen als eigentlich logischer Ausgangspunkt einer solchen Entwicklung längst weggefallen.
Sie sind ein integraler Bestandteil des „bunten Deutschlands“ und eine der hartnäckigsten Verteidiger der Willkommenskultur, die in rein moralischen Kategorien verhandelt wird.

Dadurch wenden sich aber immer mehr einstige Mitglieder der Kirche von ihr ab, da sie sich nicht mehr mit den Positionen der Amtskirchen identifizieren können.

Die Linke in Deutschland, wie auch die Kirchen, haben für Mai in der Übernahme eines naiven Multikulturalismus die soziale Frage vergessen und diejenigen aus den Augen verloren, die die Folgen dieser Politik im Wesentlichen (er)tragen müssen.

Deshalb plädiert er zuallererst für eine realistische Position in der Flüchtlingsfrage, wenngleich er mit dieser Haltung in den Amtskirchen auf große Ablehnung stoßen wird:

„Diese Möglichkeit darf sie nicht verspielen, indem sie aus einer romantischen Verirrung heraus, die im Überschwang moralistischer Überhöhung nicht mehr wahrgenommen wird, die Spaltung der Gesellschaft mit vorantreibt und so mutatatis mutandis auch zur Spaltung und Verzwergung der Kirche beiträgt.“

Mit seiner Streitschrift eröffnet Mai eine Diskussion, die in den Kirchen erst noch zu führen sein wird und die nur dann Sinn macht, „wenn sie von letzten und ersten Dinge menschlicher Existenz spricht und keine Rücksicht auf Applaus, Establishment und Mainstream nimmt.“

Es fällt zu diesem Zeitpunkt schwer zu glauben, dass die momentanen Repräsentanten der Amtskirchen dazu in der Lage sein werden. Eines ist aber sicher: in einer mehr und mehr zerfallenden Gesellschaft, muss und wird es wieder Identitätsangebote geben, die über das Profane hinausgehen. Wenn alle Gewissheiten schwinden wird der Glaube, so die Hoffnung und die Prognose des Autors, „die letzte und dadurch die erste Gewissheit sein.“

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Quelle:

Siehe dazu auch:

  • Klaus-Rüdiger Mai: Geht der Kirche der Glaube aus? Eine Streitschrift, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2018 –
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