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Deutsche Ideen, deutscher Geist und deutsche Ideologien haben das Weltgeschehen maßgeblich beeinflusst und geprägt.

Peter Watson zeichnet diese Entwicklung von der Mitte des 18. Jahr hunderts bis zur Gegenwart nach und ergründet Ursprung und Wesen des »Deutschen Genius«. Philosophie und Literatur, Musik und Malerei, Wissenschaft und Technik –

Watson bietet eine beeindruckende Gesamtschau deutschen Geisteslebens von Lessing bis Mann, von Humboldt bis Benz, von Kant bis Habermas, von Schleiermacher bis Ratzinger, von Bach bis Henze, von Friedrich bis Beuys.

Eine faszinierende Kultur- und Ideengeschichte.

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Produktbeschreibungen

Über den Autor und weitere Mitwirkende

Peter Watson, geboren 1943, studierte an den Universitäten von Durham, London und Rom. Er war stellvertretender Herausgeber von "New Science" und arbeitete vier Jahre lang für die "Sunday Times". Er war Korrespondent in New York für die "Times" und schrieb für den "Observer", die "New York Times", "Punch" und "Spectator". Er hat weit über ein Dutzend Bücher veröffentlicht, darunter »Das Lächeln der Medusa« (2001) und »Ideen« (2006). Von 1997 bis 2007 war er als Lehrbeauftragter am McDonald Institute for Archaeological Research der Universität Cambridge tätig.

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Quelle:

 

Top-Kundenrezensionen

Kankin Gawain

VINE-PRODUKTTESTER

Ein Deutschland, das zu vermissen sich lohnt, das man aber auch nicht mehr rekonstruieren kann.


Es ist vielen Mensche heutzutage gar nicht mehr so klar, dass es am Anfang des 20. Jahrhunderts noch keine ausgemachte Sache war, ob das neue Jahrhundert ein Amerikanisches oder, für einige wahrscheinlicher, ein Deutsches sein würde.

Es bedarf wohl eines gelehrigen britischen Historikers und Wissenschaftsjournalisten um auf ca. 900 Seiten auszubreiten, dass die Deutschen eben doch ein "Volk der Dichter und Denker" waren und nicht bloß die Hunnen der Moderne, Nazi-Massenmörder und Kinderfresser.

Im 19. Jahrhundert war die Gelehrsamkeit an den deutschen Hochschulen so groß, der Ruf der deutschen Philologen, Linguisten, Historiker, aber auch gerade der Musiker, Philosophen und Architekten so ausgezeichnet, dass man in der Rückschau von einer "dritten Renaissance" sprechen kann. D.h. hier wurde nach Italien und Frankreich noch einmal mit ganz neuem Elan, Genie und Methode an die Leistungen des klassischen Altertums angeknüpft.

Auf dem Gebiet der Technologie, vornehmlich mit den neuen Erfindungen des Verbrennungsmotors, des Elektromotors, der neuen chemischen Färbemittel und der ersten tatsächlich pharmazeutisch wirksamen Medikamente, ging um die Wende zum 20. Jahrhundert das von statten, was man zurecht als die 2. Industrielle Revolution bezeichnet.

Die Deutschen hatten neben dem Utilitarismus der Angelsachsen ihre eigene Ethik, nämlich die transzendentale Ethik Kants, ihren eigenen Liberalismus, nämlich den von Humboldt, und ihr eigenes Bildungs-Konzept, ebenfalls am besten Vertreten durch Humboldt. Ja, selbst auf dem Gebiet von Anstand und Etikette, auch Benimm genannt, hatten die Deutschen ein originäres System, nämlich jenes das von Goethe inspiriert, die Menschen nicht so behandelte, wie man es selbst gerne wünschte, oder wie sie es (empirisch) verdienten, sondern nach dem "höchsten, das sie zu sein fähig" waren. Darum ist es auch bis heute in Deutschland so, dass man seinen Mitmenschen oft unbequeme Wahrheit und Kritik zumutet - man geht einfach im Sinne Goethes davon aus, dass diese darauf brennen, sie zu hören und sich zu bessern.

Das alles gelingt Watson mit einer gehörigen Portion aufrichtiger Hochachtung und Wertschätzung, ja Liebe zur deutschen Kultur. Er möchte nichts überzeichnen, gewiss auch nichts schönreden, aber er möchte das Glänzende glänzen das Große groß sein lassen, und dies gelingt ihm. Wenn man das Buch, das ungemein flüssig und interessant geschrieben ist, liest, und dann häufiger daran denkt, was im 20 Jahrhundert noch an deutscher Geschichte folgte, muss man seufzen und wird von Nostalgie und auch Schwermut gepackt - weil es so viele außerordentliche Errungenschaften, so große kulturelle Verdienste, zivilisatorisches Kapital gab, mit dem Deutschland in einem anderen Werdegang der Geschichte hätte wuchern können.
Und, man muss auch dies sagen, wenn man heute auf deutsche Kultur, Wissenschaft und Gelehrsamkeit schaut, erkennt man,
dass man dieses alte Deutschland, das einmal mehr war als bloß "gehobenes Mittelmaß", auch vermissen kann

Ralph Blumenau

Enzyklopaedisch

Peter Watson zeigt in diesem Buch auf, dass die fortdauernde Beschäftigung mit der Nazi-Zeit, sogar auch in Lehrplänen für Schulen, das allgemeine Publikum in Großbritannien und den Vereinigten Staaten daran hindert, sich mit den enormen deutschen Beiträgen in der Zeit vor und nach Hitler auf allen Gebieten der Kultur gebührend zu befassen, ja diese manchmal überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Watson greift alle Aspekte auf, eine gigantische Aufgabe, selbst wenn man nicht von ihm erwarten kann, alle Gebiete zu beherrschen, und somit manche seiner Betrachtungen tiefschürfend und erhellend, andere dagegen ein wenig oberflächlich sind; so gibt es hier und da Namenslisten, die dann aber nicht weiter besprochen werden, außer dass Watson sie irgendeiner bestimmten Gruppe zuordnet. Es wäre jedoch für mein Empfinden kleinlich einer solchen umfassenden Schatzkammer deswegen weniger als fünf Sterne zu erteilen.

Oft lenkt Watson unsere Aufmerksamkeit auf in britischen Kreisen kaum bekannte deutsche Erfolge, die zwar als solche von Bedeutung sind, jedoch keinen spezifisch deutschen Charakter haben.
So haben deutsche Wissenschaftler ihre Gebiete enorm bereichert und werden damit im Buch auch stark herausgestell; doch ist die Wissenschaft international und nicht speziell deutsch in ihrem Wesen. (Erst als die Nazis die Relativitätstheorie als unwissenschaftlich ablehnten und rassische "Wissenschaften" zu unhaltbaren neuen Gipfeln führten, könnte man von solchen Eigenheiten sprechen). Hier sollen jedoch einige der Aspekte behandelt werden, die spezifisch deutsch sind.

Zuerst wäre dort die Art, die Rolle und die selbstauferlegten Ziele der deutschen Universitäten zu nennen.
Bereits im 18. Jahrhundert gab es fünfzig Universitäten im damaligen Deutschland, denen England nur zwei entgegenzustellen hatte.
Die bedeutendsten waren Halle in Preußen und Göttingen in Hannover. Sie waren vom Geist des Pietismus durchdrungen, einer Form des Protestantismus, die darauf abzielte, das Beste in sich selbst zu entwickeln, dabei jedoch mit der Pflicht, die Welt durch harte Arbeit, durch eigene Beiträge, durch wirkungsvolle Tätigkeit und durch Unbestechlichkeit zu verbessern. Friedrich Wilhelm I von Preußen (1713 bis 1740) hatte sich schon in 1708 dem Pietismus angeschlossen.
Wie auch die anderen deutschen Landesherren, kontrollierte er die Universtäten, besetzte sie mit pietistischen Lehrern und förderte Pietisten in Beamtenschaft und Armee.

Obwohl die Pietisten tief religiös waren, brachen sie aber in den Universitäten die Herrschaft der Theologie und förderten Philosophie und weltliche Wissenschaft.
Sie schufen und entwickelten den Begriff der "Bildung", der die Pflicht beinhaltete, in der Erziehung nicht rein rezeptiv zu bleiben, sondern auch den Weg dauernder Eigenentwicklung zu beschreiten, durch eigene Forschungstätigkeit und deren Beurteilung durch andere Forscher. Die Wichtigkeit, die den Universitäten vom Staat her zuerkannt wurde und die Art und Weise, wie sich diese methodisch in der Forschung organisierten, lieferten ohne Zweifel die Basis für die überragende Stellung der deutschen Wissenschaften im 19. Jahrhundert - der Staat war zwar in vielerlei Hinsicht autoritär, ermutigte jedoch die geistige Freiheit seiner Lehrer und Forscher.
In den 1860er und 1870er Jahren erreichten die Technischen Hochschulen (im Gegensatz zu britischen Polytechnika) Prestige und Rang der Universitäten als Forschungszentren, was sich darin zeigte, dass sie ihren Studenten nicht nur ein technisches Diplom, sondern auch den Rang eines Doktors zuerkennen durften. Das wird auch die Erfindungen und Erfolge der deutschen Indusrie stark fördern.

Ein anderer spezifisch deutscher Aspekt dieser Kultur ist die "spekulative Philosophie", wie Watson sie nennt. Die deutsche "Aufklärung" betonte eine organische Entwicklung, im Unterschied zur Newton'schen externen Kausalität in den Wissenschaften. Man betrachtete dies als ein philosophisches Prinzip, dass nicht nur das Verständnis der Geschichte und der Naturwissenschaften erlaubte, sondern auch das des Ichs und der Welt an sich; Genies und Dichter waren besonders befähigt, dieses Prinzip zu erkennen und auszudrücken.

Der große Künstler erhebt die Künste, besonders die Musik, aus dem Bereich der bloßen Unterhaltung heraus in den der reinen Wahrheit.

Watson setzt sich mit den so deutschen Philosophien von Kant, Fichte, Schelling und Hegel auseinander, ist jedoch hier, wie ich meine, in seiner Zusammenfassung solcher an sich schon dunklen und schwerverständlichen Ideen nur begrenzt erfolgreich, ja, in Bezug auf Hegel, schon durchaus unzureichend.
Auch die Betonung des Willens ist hauptsächlich bei deutschen Denkern anzutreffen, wie auch Heideggers Philosophie Elemente enthält, die ebenfalls spezifisch deutsch sind.

Nationalismus, Rassismus, Antsemitismus lassen sich außerhalb Deutschlands gleichfalls ausmachen, doch Watson geht auch auf die Umstände ein, durch die solche Ideen im Deutschland des 19.Jahrhunderts eine besondere Stärke annahmen, sodass man sie, im Nachhinein, als Saat des deutschen Nationalsozialismus im folgenden Jahrhundert ansehen kann.
Im Hinblick auf diese Periode beschreibt er eingehend die abstoßenden Aspekte der Nazi-"Ästhetik", die man als typische deutsch bezeichnen könnte, wenn sie nicht ihr Spiegelbild im Stalinismus besäßen.
In ähnlicher Weise erkennen wir eine spezifisch deutsche "Theologie" in der Kirche der "Deutschen Christen", die ihrerseits von deutschen Theologen wie Barth, Bultmann, Tillich oder Bonhoeffer bekämpft wurde, die mit ihren Lehren später internationale Bedeutung gewinnen sollten.

Zwei lange Kapitel setzen sich mit den Beiträgen von in dieser Zeit nach England oder in die USA ausgewanderten deutschen Intellektuellen intensiv auseinander.

Die letzten beiden Kapitel behandeln die Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland,
u.a. mit dem Bemühen einer Gruppe deutscher Denker, die deutsche Kultur vor der Nazizeit zu betrachten, mit dem Ziel, die Frage zu klären, warum diese Kultur nicht in der Lage gewesen war, sich gegen die Nazis zu behaupten.
Da war der Historikerstreit (die Diskussion der Frage ob die Verbrechen der Nazis etwas spezifisch Deutsches darstellten, was jedoch bei Watson nur am Rande erwähnt wird)
und die Debatte über den sogenannten deutschen Sonderweg.
Auch die Romane von Grass, Böll und Schlink befassten sich mit solchen Fragen. Die Ereignisse von 1968 und das folgende Jahrzehnt stellten laut Konrad Jarausch endlich eine entschiedene antiautoritäre Entwicklung der Werte Westdeutschlands dar,
wobei man überrascht ist, wieviele ostdeutsche Schriftsteller (die, außer Brecht, im Westen kaum bekannt sind) auch gegen das dortige Regime angingen.

Der Platz reicht nicht aus, auch noch etwa auf die Bedeutung des ernsthaftigen deutschen Theaters, oder die von Nachkriegsfilmen einzugehen, oder auf Watsons zusammenfassende Schlussbemerkungen, die den enormen Einfluss deutscher Ideen - ob man ihn nun gutheißt oder nicht - auf den Rest der Welt unterstreichen.