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Von Dr.Phil.Mehrens

Es ist wieder so weit:

Deutschlandweit finden in den Sommermonaten so genannte Christopher-Street-Day-Paraden statt.

Hauptgegner der bunten Stoßtrupps, die alle Jahre wieder ausschwärmen, um Deutschland toleranter zu machen, ist die so genannte »Homophobie« in der Gesellschaft.

Aber was soll das sein? Und geht es wirklich um Toleranz?

Im Frühjahr 2014 schrieb ein Redakteur der WELT für das Online-Portal der Zeitung einen sarkastischen Kommentar zu der am Vortag ausgestrahlten Ausgabe der Talk-Sendung »Menschen bei Maischberger« zum Thema Homosexualität und Familie.

Er schrieb: »Homophobie hat mittlerweile dem Antisemitismus als schlimmste ideologische Sünde den Rang streitig gemacht.«

Und er zitierte aus einem früheren Interview seines Blattes mit dem

Philosophen Robert Spaemann dessen Aussage:

»Das Natürliche ist auch moralisches Maß für die Beurteilung von Defekten.
Nehmen Sie die Homo­sexualität:
Die Abwesenheit der sexuellen Anziehungs­kraft des anderen Geschlechts, auf dem die Fortexistenz der menschlichen Gattung beruht, ist ein solcher Defekt.

Aristoteles nennt das einen Fehler der Natur.«
Die Provokation gipfelte in dem ironischen Schlusssatz:

»Ich bin wohl homophob. Und das ist auch gut so.«

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Ein liberaler Rechtsstaat kann nicht wollen, dass Menschen für ihre ästhetischen, sittlichen oder religiösen Überzeugungen gegängelt werden. Deshalb muss unsere Gesellschaft Toleranz neu lernen, als universale Toleranz, eine Toleranz, die keine Ausnahmen kennt, solange es nur um Meinungen geht. Es sollte sich daher jeder vor dem Gebrauch eines Begriffs wie »geistiger Brandstifter« darüber klar werden, dass er mit dieser Wortwahl den Versuch unternimmt, eine Teilmenge der vom Pluralismus gewünschten Vielfalt der Diskursbeiträge zu kriminalisieren.

Ein solcher Mangel an Respekt gegenüber unbequemen Ansichten sollte den Führern totalitärer Systeme vorbehalten bleiben und die Prüfung, ob tatsächlich ein Delikt vorliegt, unabhängigen Gerichten.

Misopornie hinnehmen zu müssen, das wird manchem – und mit hoher Wahrscheinlichkeit jedem Teilnehmer einer der vielen CSD-Paraden dieses Sommers – wehtun, weil sie seinem persönlichen Werte­katalog widerspricht.

Doch unterhalb dieser Schmerzgrenze ist eine liberale und plurale Gesellschaft nicht zu haben.

Was wäre die Alternative?

  • Eine Gedankenpolizei nach dem Vorbild von George Orwells Big Brother ?

  • Eine Tugendkontrolle nach dem Muster des Pariser Wohlfahrts­ausschusses anno 1793 ?

  • Muss demnächst vor einem Hohen Wächterrat erscheinen, wer Spaemann liest ?

Toleranz tut immer weh, denn toleriert (geduldet, ertragen) wird nicht, was ich von Natur aus gut und richtig finde, sondern was ich von Natur aus schlecht und falsch finde.

Denkverbote und Meinungssperrzäune indes passen nicht zu einer Gesellschaft, die sich Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Der Vorwurf der Diskriminierung ist am Platz, wo Menschen eine tatsächliche, durch kein Sachargument begründbare Benachteiligung erleiden.

Er darf aber nicht zur Installation eines neuen, illiberalen Tugendbegriffs missbraucht werden, der unter veränderten Vorzeichen neu erschafft, was er abzuschaffen angetreten ist: die Diskriminierung Andersdenkender.

Jakobinischer Tugendeifer, der mit dem Anspruch auftritt, alle Bundesbürger zu diversitätskonformen Warmduschern und Birkenstocksandalenträgern umzuerziehen, deren Hauptanliegen die Ausmerzung von Misopornie ist, verträgt sich nicht mit der Freiheit, auf der unsere Demokratie fußt.

Gerade wer für Pluralismus und Toleranz auf die Straße geht, sollte das wissen und Buntheit nicht zum Dogma einer neuen Intoleranz erheben.

Toleranz funktioniert nur mit Gegenverkehr und nicht als Einbahnstraße.

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