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Reiner Klingholz ist einer der renommiertesten Migrationsexperten. Der Schlüssel, um langfristig Flucht aus Afrika zu stoppen, sei Bildung, sagt er. Kurzfristig müsse sich Europa aber schützen.

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Die Welt: Entwicklung funktioniert also besser ohne Demokratie und freie Marktwirtschaft? Was ist mit Malaysia oder Südkorea? Demokratische Staaten mit phänomenaler Entwicklung.

Klingholz: Das sind trotz allem Länder, wo eine gewisse Ordnungshoheit da ist. Die asiatischen Tigerstaaten haben zur richtigen Zeit in die richtigen Dinge investiert. Zum Beispiel in Gesundheitsdienste. Das senkt die Kindersterblichkeit. Wenn die Kindersterblichkeit sinkt, dann bekommen die Frauen mit einem Zeitverzug von etwa zehn Jahren weniger Kinder.

 

Die Welt: Das allein schafft aber noch keine Arbeitsplätze.

Klingholz: Nein, aber diese Staaten haben gleichzeitig in Bildung und einfache Arbeitsplätze investiert. Am Anfang fanden so viele junge Menschen einfache Jobs. Da wurden T-Shirts genäht, Elektrogeräte gefertigt. Durch die bessere Bildung gab es später kleinere und besser gebildete Jahrgänge. Die bekamen dann schon bessere Jobs und sind in eine höhere Wertschöpfung aufgestiegen.

 

Die Welt: Was macht Sie optimistisch, dass dieser Erfolg sich auch in den afrikanischen Staaten einstellt?

Klingholz: In einigen Ländern, etwa in Äthiopien, wäre das möglich. In anderen wahrscheinlich nicht. Nehmen wir Niger, wo die Bundeskanzlerin ebenfalls gerade war. Niger hat die höchste Geburtenrate der Welt. Die Bevölkerung wird sich bis 2050 verdreifachen. Wie will das Land die dreifache Bevölkerung versorgen? Mit Nahrung, Trinkwasser, Schulen, Arbeitsplätzen? In Niger kommen jedes Jahr 600.000 neue Menschen auf den Arbeitsmarkt. Im ganzen Land gibt es aber nur 150.000 reguläre Jobs, davon 90.000 in der Privatwirtschaft, der Rest beim Staat. Wie soll das gehen?

 

Die Welt: Was werden die Menschen im Niger tun?

Klingholz: Viele werden das Land verlassen. Migration ist in diesen Ländern traditionell etwas Normales, viele Menschen leben bis heute als Hirtennomaden. Grenzen spielen für sie keine Rolle. Schon gar nicht willkürlich gezogene Grenzen, wie wir sie in Afrika haben. Ich gehe dorthin, wo meine Herden etwas zu fressen finden. Dieses Prinzip tragen die Menschen in die Wirtschaftsmigration weiter.

 

Die Welt: Wenn es für bestimmte Länder gar keine Lösung gibt, müssten wir diese Leute nicht doch in Europa aufnehmen?

Klingholz: Das kann in Grenzen sinnvoll sein. Deutschland braucht ja auch Arbeitskräfte. Aber wenn wir alles laufen lassen, werden zu viele Menschen kommen. Wir haben es in Deutschland ja erlebt: Wenn wir wieder so viele Flüchtlinge aufnehmen wie im vergangenen Jahr, droht die Regierung ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren. Am Ende haben wir dann womöglich Parteien am Ruder, die mit einfachen Antworten kommen. Es gibt aber für diese Fragen keine einfachen Antworten. Mit den Populisten können wir die globalen Probleme noch schlechter lösen.

 

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