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Von Stefano Fontana*

Der Schweizer Theologe Hans Küng ist tot. Er machte oft Schlagzeilen auf den Titelseiten, wenn er mit schwerem Geschütz auf die katholische Glaubenslehre feuerte.

Seiner Ausbildung nach Hegelianer, wollte er die ökumenische und demokratische Reformation der Kirche.

Jahrzehntelang trat er laut an die Öffentlichkeit, säte aber leise im Stillen.

Die Früchte ernten wir heute:

Viele sind der Meinung, daß wir uns bereits mitten im Dritten Vatikanischen Konzil befinden, das er erhofft hatte.

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Küng war philosophisch viel, aber vor allem war er Hegelianer.

In diesem Schlüssel fällt die Wirklichkeit der Kirche mit dem Selbstbewußtsein der Kirche in eins, und dieses Selbstbewußtsein ist ständig im Werden.

Nicht daß es wird, sondern es ist Werden, und das Werden wird von der Zukunft geleitet, nicht von der Vergangenheit,

sodaß es keinen gültigen theologischen Begriff geben kann, der nicht auch neu ist. 

Genau das hatte Reginald Garrigou-Lagrange befürchtet, als er sich 1946 fragte, wohin die Nouvelle Théologie gehen würde – deren Kind im Grunde auch Küng ist, wenn auch rücksichtsloser als andere –, und noch dramatischer sich auch fragte, ob eine wahre Theologie noch möglich sei, auch wenn sie nicht neu ist.

Es ist auch Küng geschuldet, wenn viele Theologen, ohne zu wissen, daß sie Küngianer sind, heute so denken:

Jede theologische Position, um wirklich eine solche zu sein, muß neu sein. So denkt auch der Vorsitzende der deutschen Bischöfe, Msgr. Georg Bätzing. Der Schweizer Küng war ganz deutscher Theologe.

Hans Küng war auf ein Drittes Vaticanum ausgerichtet und erwartete ungeduldig, einem Johannes XXIV. begegnen zu können.

  • Er glaubte, daß die Kirche von unten konstituiert sei und sich auch von unten erneuern würde.

  • Er sagte, daß die neue Kirche von unten bereits begonnen habe.

  • Er beschuldigte die Kirche des männlichen Chauvinismus und hätte sich

  • eine weibliche Rückeroberung der Frauenrechte gewünscht,

  • von der Empfängnisverhütung bis zum Priestertum.

  • Die Bischöfe hätten von unten und frei gewählt werden sollen.

  • Er drängte sehr auf einen neuen und radikaleren Ökumenismus,

  • prangerte an, was er als „starrköpfige Betonung von Unterschieden“ bezeichnete,

  • forderte die Aufhebung der Verurteilungen gegen Luther und Calvin und

  • wollte mit den Kirchen der Reformation eine „eucharistische Gastfreundschaft als Ausdruck einer bereits verwirklichten Glaubensgemeinschaft“.

  • Er hielt es für nicht vertretbar seitens der katholischen Kirche, daß es nur eine legitime Religion gebe,

  • und sah diese Haltung als Folge des „europäischen Kolonialismus und des römischen Imperialismus“.

  • Ihm zufolge hätte die Kirche das Infragestellen des Wahrheitsanspruchs durch andere Religionen anzunehmen.

  • Intern hätte die Kirche die regionalen und lokalen Ortskirchen zu Ehren des „Reichtums an Vielfalt“ gegen „dogmatische Arroganz“, „dogmatische Unbeweglichkeit“ und „moralistische Zensur“ autonom machen müssen.

  • Die Kirche hätte seiner Meinung nach eine „Gemeinschaftsbeziehung“ zu leben und das Modell einer Kirche „von oben, starrsinnig, beruhigend, bürokratisiert“ aufzugeben.

  • So wie die UdSSR ihre Dissidenten rehabilitierte, hätte auch die Kirche ihre eigenen Dissidenten rehabilitieren sollen, von Helder Camara bis Leonardo Boff.

Die Zukunft der Kirche sah er neben der Ökumene auch im Pazifismus und in einem neuen Ökologismus.

Spitzentheologen im Sinne von spitz im Ton bekommen die Titelseiten von Zeitungen, wenn sie nur scharf genug schießen, und in der Tat schießen sie oft scharf, so Küng zum Beispiel, als er die Unfehlbarkeit des Papstes attackierte: Alle erinnern sich daran.

Es ist aber nicht gesagt, daß ihr Vermächtnis in diesen Angriffen liegt, die ihnen Rampenlicht verschafften.

Ihre wirkliche Aussaat erfolgt, sobald die Scheinwerfer ausgehen und in der Praxis der Kirche ihre Anleitungen stillschweigend im Dunkeln, abseits der Aufmerksamkeit, gelebt und verkörpert werden. 

Man lese noch einmal den kurzen Überblick über Küngs Positionen der vorhergehenden Absätze.

In der deutschen Kirche von heute und ihrem „Synodalen Weg“ finden wir sie alle wieder.

Einige werden vielleicht etwas freundlicher vorgebracht, aber wir finden sie alle.

Schauen wir dann auf die Weltkirche. Auch hier finden wir sie mehr oder weniger alle wieder:

  • Leonardo Boff schreibt die päpstlichen Enzykliken und

  • Msgr. Camara soll heiliggesprochen werden.

Viele denken, daß wir uns bereits im Dritten Vaticanum befinden

 

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und daß ein Johannes XXIV. bereits gekommen ist.

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  • Luther und Calvin wurden wieder in den Schafstall eingelassen,

  • die eucharistische Gastfreundschaft ist in manchen Orten bereits Standard und

  • die Frauen nähern sich immer mehr dem Altar. 

Während die Medien sich auf die Geschosse konzentrierten, die er auf die Kirche abfeuerte, war Hans Küng damit beschäftigt, seine Saat in der Kirche auszusäen.

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