Es gibt noch eine weitere, dunklere Arglist, die am Werk ist. Eben- falls innerhalb der Spanne der letzten Generation hat sich ein immer größer werdender Teil der politischen Klasse entschieden, daß ihr eigenes Interesse in der Globalisierung liege. Sie wollen daher supra- nationale Organisationen schaffen, die sie kontrollieren können, ohne das störende Einmischen der nationalen Souveränität fürchten zu müssen. Es wird immer klarer, daß das „Demokratiedefizit“ der Europäischen Union nicht nur ein einfaches, „technisches“ Problem ist, welches dementsprechend mit rein technischen Mitteln gelöst werden kann. Das Defizit beruht eher auf einer fundamentalen Überzeugung, die mit blindem Eifer verteidigt wird. Ob sie sich nun legitimiert fühlen durch angebliche ökonomische Notwendigkeiten, oder ob sie eigenständig eine internationale Menschenrechtsgeset- zgebung entwickeln – die Mandarine der EU-Institutionen vere- innahmen das politische Leben in Europa und beantworten dabei alle Herausforderungen mit der gleichbleibenden technokratischen Formel: Es gibt keine Alternative. Das ist die sanfte, aber immer realere Tyrannei, der wir ausgesetzt sind.
20. Das falsche Europa ist schwach und ohnmächtig.
Die Hybris dieses falschen Europas wird immer offensichtlicher, obwohl seine Befürworter nichts unversucht lassen, um diesen Zustand durch komfortable Illusionen zu verschleiern. Vor allem aber ist das falsche Europa schwächer, als irgend jemand es sich hätte vorstellen können. Denn Massenkultur und materialistische Konsumfixiertheit können letztlich nicht zum Erhalt der Zivilge- sellschaft beitragen. Von höheren Idealen entfernt, und durch die multikulturelle Ideologie entmutigt, patriotischen Stolz zu zeigen, haben unsere Gesellschaften nunmehr große Schwierigkeiten, an den Willen zu appellieren, sich selbst zu verteidigen. Außerdem können das Vertrauen der Bürger und der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft nicht mit inklusiver Rhetorik oder dem Beken- ntnis zu einem unpersönlichen ökonomischen System erneuert werden, welches von internationalen, anonymen Großkonzernen dominiert wird. Wir müssen es klar sagen: Die europäischen Gesellschaften zersplittern. Wenn wir nur unsere Augen öffnen, sehen wir eine immer größere Ausweitung der Regierungskompe- tenzen, eine zunehmende ideologische Gängelung der Gesellschaft und eine steigende politische Indoktrination des Bildungssystems. Es ist nicht der islamische Terror, der schwerbewaffnete Soldaten auf unsere Straßen bringt. Polizeihundertschaften sind derzeit auch notwendig, um Anti-Establishment-Proteste zu bändigen oder Horden betrunkener Fußballfans unter Kontrolle zu bringen. Der Fanatismus, der sich in unserer Leidenschaft für unsere Fußballmannschaften ausdrückt, ist ein drängendes Zeichen für den tiefen menschlichen Willen zur Solidarität, einer Solidarität, die im falschen Europa ansonsten unerfüllt bleibt.
21. Eine Kultur der Ablehnung des Eigenen hat sich verfestigt.
Viele europäische Intellektuelle zählen leider zu den ChefIde- ologen des Grundkonzepts des falschen Europas. Ohne Zweifel gehören unsere Universitäten zwar immer noch zu den Leuchttür- men der europäischen Kultur. Aber wo früher versucht wurde, den heranwachsenden Generationen die Weisheit vergangener Zeit zu vermitteln, besteht heute an den Universitäten nur noch ein soge- nanntes „kritisches Denken“, das wesentlich in einer einfältigen Zurückweisung der Vergangenheit besteht. Einst war die rigorose Disziplin der intellektuellen Redlichkeit und Objektivität ein Leit- stern des europäischen Geistes . Aber dieses Ideal wurde in den letzten Jahrzehnten abgeschliffen. Die intellektuelle Askese, die ver- suchte, den Geist von der Tyrannei der herrschenden Meinung zu befreien, hat sich in eine selbstgefällige und unreflektierte Feind- seligkeit gegenüber allem verwandelt, was unsere eigene Identität betrifft; ein ebenso billiger wie falscher Weg, seine eigene „Kritik- fähigkeit“ zu beweisen. Innerhalb einer Generation wurde diese Überzeugung immer wieder in den Seminarräumen vorgeführt, wurde eine Doktrin und dann ein Dogma, und wurde schließlich ganz mit dem Begriff der „Aufklärung“ gleichgesetzt. In der Konse- quenz sind unsere Universitäten heutzutage Agenten der stattfind- enden Zerstörung der Kultur.
22. Die Eliten rühmen sich arrogant ihrer Tugenden.
Unsere politischen Klassen wollen die Menschenrechte voran- bringen. Sie arbeiten daran, den Klimawandel zu verhindern. Sie konstruieren einen weltweit zunehmend integrierten Markt und harmonisieren die Steuerpolitik. Sie überwachen den Fortschritt in Fragen der Geschlechtergleichheit. Sie tun so viel für uns! Warum sollte es also, denken sie, eine Rolle spielen, auf welche Art und Weise sie zu Amt und Würden gekommen sind? Was macht es Ih- nen aus, daß die europäischen Wähler immer skeptischer gegenüber ihren “Dienstleistungen” werden?
23. Es gibt eine Alternative.
Die wachsende Skepsis ist absolut berechtigt. Heutzutage ist Europa dominiert von einem ziellosen Materialismus, der unfähig scheint, Frauen und Männer zu motivieren, Familien zu gründen und Kinder zu bekommen. Eine Kultur der Ablehnung des Eigenen nimmt der nächsten Generation einen Teil der Identität. Manche unsere Länder haben Regionen, in denen die meist muslimischen Einwanderer in einer Art informeller Autonomie unter lokalen Gesetzen leben, so als wären sie Kolonisten und keine Mitbürger. Individualismus isoliert uns voneinander. Globalisierung verändert die Lebensperspektiven von Millionen. Wenn sie befragt werden, sagen unsere Regierenden, daß sie lediglich versuchen, sich mit dem Unausweichlichen zu arrangieren und sich an unverrückbare Notwendigkeiten anpassen. Keine andere Richtung ist möglich, und es wäre unvernünftig, Widerstand zu leisten. Die Dinge kön- nen, ja dürfen eben nicht anders sein. Denjenigen, die dagegen aufbegehren, wirft man vor, an Nostalgie zu leiden – wofür sie es verdienen, moralisch dazu verurteilt zu werden, als Faschisten oder Rassisten zu gelten. Je offensichtlicher die sozialen Spaltungen und das bürgerliche Mißtrauen werden, um so erregter und verbitterter wird das öffentliche Leben in Europa, und niemand kann sagen, wo dies einmal enden wird. Wir dürfen diesem Weg nicht weiter folgen. Wir müssen die Tyrannei des falschen Europas abschütteln. Es gibt eine Alternative.
24. Wir müssen die Ersatzreligion umkehren.
Die Arbeit an einer Erneuerung beginnt mit theologischer Selb- sterkenntnis. Die universalistischen und universalisierenden An- maßungen des falschen Europa offenbaren sich als eine Ersatzreli- gion - inklusive Glaubensbekenntnis und Kirchenbann. Dies ist das starke Opium, welches Europa als politische Einheit paralysiert. Wir müssen darauf dringen, daß religiöse Bestrebungen in der Sphäre der Religion zu bleiben haben und nichts in der Politik oder gar der Verwaltung zu suchen haben. Um unsere politische und his- torische Selbstbestimmung zurückzuerhalten, ist es notwendig, das öffentliche Leben in Europa zu re-säkularisieren.
25. Wir müssen den wahren Liberalismus wiederherstellen.
Dafür müssen wir die verlogene Sprache ablehnen, die der Ver- antwortung ausweicht und ideologische Manipulation stärkt. Das Gerede über Diversität, Inklusion und Multikulturalismus ist in- haltslos. Oftmals wird solch eine Sprache nur benutzt, um un- sere Fehler zu Errungenschaften umzudeuten. Das Aufbrechen der gesellschaftlichen Solidarität ist dann „in Wirklichkeit“ ein Ze- ichen des Willkommens, der Toleranz und der Inklusion. Das ist Marketing-Sprech, eine Sprache, die mehr verdunkelt, als daß sie er- hellt. Wir müssen einen bleibenden Respekt für die Realität zurück- gewinnen. Sprache ist ein empfindliches Instrument und wird en- twertet, wenn sie als Keule benutzt wird. Wir sollten Vorkämpfer für eine anständige Sprache sein. Die Rückgriffe auf die Denunzia- tion sind ein Zeichen der Dekadenz der heutigen Zeit. Wir dürfen Einschüchterungen durch Sprache nicht tolerieren, und noch viel weniger die Androhung physischer Gewalt. Wir müssen diejeni- gen unterstützen, die vernünftig sprechen, auch wenn wir ihre An- sichten für falsch halten. Die Zukunft Europas muß im besten Sinne liberal sein, was das Bekenntnis zu einer robusten öffentlichen Auseinandersetzung, frei von Gewaltandrohung oder Nötigung, bedeutet.
26. Wir brauchen verantwortungsvolle Staatsmänner.
Um den Bann des falschen Europas und seinen utopistischen, pseudoreligiösen Kreuzzug für eine entgrenzte Welt zu brechen, braucht es eine neue Art der Staatskunst und eine neue Art von Staatsmann. Ein guter politischer Anführer steht für das Gemein- wesen einer bestimmen Gruppe Menschen ein. Ein guter Staats- mann erkennt unser gemeinsames europäisches Erbe und unsere nationalen Traditionen als wunderbar und lebensspendend an, aber ebenso als zerbrechliche Geschenke. Er lehnt dieses Erbe nicht ab oder setzt es für utopische Träume aufs Spiel. Solche Politiker er- weisen sich der Aufgabe würdig, die ihnen ihre Bürger anvertraut haben; solche Politiker gieren nicht nach dem Applaus der „inter- nationalen Gemeinschaft“, die tatsächlich nur der PR-Abteilung einer Oligarchie ist.
27. Wir müssen nationale Einheit und Solidarität erneuern.
Weil wir den eigenen Charakter der einzelnen europäischen Völker und ihre christliche Prägung anerkennen, brauchen wir uns nicht über die falschen Behauptungen der Multikulturalisten zu wundern. Immigration ohne Assimilation ist Kolonisation und muß abgelehnt werden. Wir dürfen zu Recht einfordern, daß diejenigen, die in unsere Länder kommen, sich auch in unsere Nationen einfügen und unsere Gewohnheiten annehmen. Diese Erwartung muß durch eine fundierte Politik unterstützt werden. Die Sprache des Multikulturalismus kommt aus Amerika. Aber Amerikas große Zeit der Immigration fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt, in einer Zeit des rapiden ökonomischen Wachstums, in einem Land ohne nennenswerten Wohlfahrtsstaat und mit einem starken Sinn für eine nationale Identität, an die sich Neuankömmlinge anzupassen hatten. Nachdem Amerika diese Großzahl von Migranten zugelassen hatte, schloß es seine Türen fast gänzlich zu, und zwar für nunmehr fast zwei Generationen. Europa muß von der amerikanischen Erfahrung lernen und darf nicht die gegenwärtigen amerikanischen Ideologien übernehmen. Die amerikanische Erfahrung zeigt uns, daß Arbeitsplätze der beste Weg zur Assimilation sind, daß ein allzu großzügiger Wohlfahrtsstaat Anpassung verhindert und daß umsichtige Politik manchmal die Reduzierung von Migration gebietet – sogar eine drastische Reduzierung. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Ideologie des Multikulturalismus unsere politischen Urteile darüber trübt, wie man am besten dem Allgemeinwohl dient, denn Allgemeinwohl braucht nationale Gemeinschaft mit ausreichender Einheit und Solidarität, um ihr Wohl als allgemein zu erkennen.