Das wahre Europa bekräftigt die gleiche Würde eines jeden Individuums, unabhängig von Geschlecht, Rang oder Volkszuge- hörigkeit. Auch dies speist sich aus christlichen Wurzeln. Unsere Tugenden sind zweifelsfrei christlichen Erbes: Gerechtigkeit, Mitge- fühl, Gnade, Vergebung, Friedfertigkeit, Wohltätigkeit. Das Chris- tentum hat die Beziehungen zwischen Männern und Frauen revo- lutioniert, indem es Liebe und gegenseitige Treue in einem zuvor ungekannten Ausmaß als bleibende Werte etablierte. Der Bund der Ehe erlaubt es Mann und Frau, in Gemeinschaft zu gedeihen. Die meisten Opfer, die wir bringen, bringen wir um unserer Kinder und Ehepartner willen. Diese Haltung der Selbsthingabe ist ein weiterer christlicher Beitrag zu dem Europa, das wir lieben.
11. Die Wurzeln der Antike ermutigen zur Leistungsbereitschaft.
Das wahre Europa bezieht seine Inspiration auch aus der klassis- chen Tradition. Wir erkennen uns selbst in der Literatur der antiken Griechen und Römer wieder. Als Europäer streben wir nach Größe, der Krone der klassischen Tugenden der Antike. Manchmal hat dies zu gewalttätigen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft geführt. Aber im besten Fall kann das Streben nach Vortrefflichkeit die Frauen und Männer Europas inspirieren, musikalische und kün- stlerische Werke von unübertrefflicher Schönheit zu schaffen und die außergewöhnlichsten Durchbrüche im Bereich der Wissenschaft und Technik zu erreichen. Die ernsten Tugenden der selbstbe- herrschten Römer sowie der Stolz auf die bürgerliche Mitbestim- mung und der Geist philosophischen Zweifels der Griechen sind im wahren Europa niemals vergessen worden. Ihre Errungenschaften sind ebenfalls die unseren.
12. Europa ist ein Gemeinschaftsprojekt.
Das wahre Europa war niemals vollkommen. Die Verfechter des falschen Europa irren nicht, wenn sie Fortschritt und Reformen fordern, und tatsächlich ist seit 1945 und 1989 Vieles erreicht wor- den, was wir schätzen und pflegen sollten. Unser aller Dasein ist ein lebendiger Entwurf, nicht ein erstarrtes Erbe. Aber die Zukunft Europas kann nur in der erneuerten Wertschätzung unserer besten Traditionen liegen, nicht in einem falschen Universalismus, der historische Selbstvergessenheit und Ablehnung des Eigenen ver- langt. Europa hat nicht erst mit der Aufklärung begonnen zu ex- istieren. Unsere geliebte Heimat wird nicht erst durch die Europäis- che Union zur Erfüllung gebracht. Das wahre Europa ist und wird immer eine Gemeinschaft von Nationen sein, die manchmal vere- inzelt sein mögen, aber dennoch vereint sind durch ein geistiges Erbe, welches sie diskutieren, entwickeln, teilen – und lieben.
13. Wir verlieren unsere Heimat.
Das wahre Europa ist in Gefahr. Die Errungenschaften der Volkssouveränität, der Widerstand gegen imperiale Versuchungen, Weltoffenheit gepaart mit bürgerlichem Engagement, das christliche Erbe eines menschlichen und würdigen Lebens, der gelebte Ein- satz für unsere klassischen Errungenschaften – all dies entgleitet uns. Durch die Konstruktion eines falschen Christentums der „uni- versellen Menschenrechte“ durch die Protagonisten des falschen Europa verlieren wir unsere Heimat.
14. Eine falsche Freiheit setzt sich durch.
Das falsche Europa brüstet sich mit einem nie gekannten Ein- satz für die menschliche „Freiheit“. Diese Freiheit aber ist sehr ein- seitig. Sie gibt sich selbst als Befreiung von allen Einschränkungen aus: sexuelle Freiheit, Freiheit zur Selbstverwirklichung, Freiheit, „man selbst“ zu sein. Die Generation der Achtundsechziger sieht diese Freiheiten als Siege gegen ein einstmals allmächtiges und re- pressives kulturelles Regime. Sie stilisieren sich als die großen Be- freier und behaupten, ihre Übertretungen seien anzuerkennen als vornehme moralische Errungenschaften, für welche ihnen die ganze Welt dankbar sein sollte.
15. Individualismus, Isolation und Ziellosigkeit sind weitverbreitet.
Für die jüngere Generation von Europäern stellt sich die Realität dagegen weit weniger glanzvoll dar. Der liberale Hedonismus führt oftmals zu Langeweile und einem Gefühl der Sinnlosigkeit. Der Bund der Ehe ist geschwächt. In der aufgewühlten See der sexuellen Freiheit werden die Wünsche junger Menschen, zu heiraten und Familien zu gründen, oftmals enttäuscht. Eine Freiheit, die unsere innigsten Herzenswünsche frustriert, wird zu einem Fluch. Un- sere Gesellschaften scheinen sich aufzulösen in Individualismus, Isolation und Ziellosigkeit. Anstelle wahrer Freiheit sind wir zur leeren Konformität einer konsum- und mediengesteuerten Kultur verurteilt. Es ist unsere Pflicht, die Wahrheit auszusprechen: Die Generation der Achtundsechziger hat zerstört, aber nicht aufgebaut. Sie habt ein Vakuum geschaffen, das nunmehr mit sozialen Medien, Billigtourismus und Pornographie angefüllt wird.
16. Wir werden reguliert und gemanagt.
Zur gleichen Zeit, da wir Loblieder auf die nie dagewesene Frei- heit hören, ist das Leben in Europa zunehmend flächendeckend reguliert. Regeln – oft erstellt von gesichtslosen Technokraten im Verbund mit mächtigen Interessen – beherrschen unsere Ar- beitsbeziehungen, unsere Geschäftsentscheidungen, unsere Aus- bildungsqualifikationen, unsere Nachrichten und unsere Unter- haltungsmedien. Und die Europäische Union versucht jetzt, die existierenden Regeln der Meinungsfreiheit zu verschärfen, einer ur- sprünglichen europäischen Freiheit und der unmittelbaren Verkör- perung des freien Gewissens. Diese Regulierungen richten sich aber nicht etwa gegen Obszönitäten oder andere Anschläge auf den sit- tlichen Anstand im öffentlichen Leben. Stattdessen wollen Europas regierende Klassen die politische Redefreiheit einschränken. Poli- tiker, die unangenehme Wahrheiten über sittliche Werte, den Islam oder Migration ansprechen, sollen vor den Richter gezerrt werden. Political Correctness setzt Tabus durch, die jede Herausforderung des Status quo als völlig inakzeptabel erscheinen lassen. Das falsche Europa ermutigt nicht eine Kultur der Freiheit: Es fördert eine Kul- tur der marktgesteuerten Homogenität und politisch erzwungenen Konformität.
17. Multikulturalismus funktioniert nicht.
Das falsche Europa rühmt sich ebenfalls eines nie dagewesenen Engagements für die „Gleichheit“. Es behauptet, die Nicht- Diskriminierung und die Inklusion aller Völker, Religionen und Identitäten zu fördern. Tatsächlich hat hier zwar ein gewisser Fortschritt stattgefunden, aber zugleich hat sich eine utopistische Abweichung von der Realität eingestellt. Über die Dauer einer Generation hat Europa das Großprojekt des Multikulturalismus verfolgt. Allein die Forderung oder wenigstens die Förderung einer Assimilation der nicht-europäischen Neuankömmlinge an unsere Sitten und Gebräuche, geschweige denn unsere Religion, wurde für ein großes Unrecht gehalten. Uns wurde erzählt, daß der Einsatz für „Gleichheit“ von uns verlange, jeden noch so kleinen Verweis darauf zu unterlassen, daß wir unsere Kultur für einzigartig oder zumindest schützenswert halten könnten. Paradoxerweise hat Europas multikulturelles Projekt, welches die christlichen Wurzel Europas ablehnt, gleichzeitig das christliche Ideal der universellen Wohltätigkeit auf eine unhaltbare Art und Weise ausgeweitet. Der neue Selbstanspruch verlangt den Europäern die Selbstverleugnung von Heiligen ab: Wir sollen die Kolonisierung unserer Heimat und den Verfall unserer Kultur gutheißen in der bloßen Hoffnung auf den Nachruhm des Europas des 21. Jahrhunderts – ein kollektiver Akt der Selbstaufopferung im Interesse des Gelingens einer reichlich unbestimmten neuen globalen Gemeinschaft des Friedens und des Fortschritts.
18. Die Arglist wächst.
Es liegt auch viel Arglist in diesem Denken. Denn die meisten Mitglieder unserer politischen Klassen nehmen zweifelsohne an, daß die europäische Kultur als „Mutter der Menschenrechte“ ir- gendwie doch die zivilisatorisch überlegene ist – was aber nicht in der Öffentlichkeit gesagt werden kann, da es Migranten beleidigen könnte. Die Eliten nehmen wohl auch an daß, wegen dieser Über- legenheit, eine Assimilation zwangsläufig auf natürlichem Wege zu- stande kommen wird, und dies auch noch schnell. In einer geradezu ironischen Wendung des imperialistischen Denkens des alten Eu- ropa nehmen die politischen Entscheider an, daß, irgendwie, durch die Gesetze der Natur oder der Geschichte, „sie“ notwendigerweise so werden wie „wir“ – und es scheint ihnen undenkbar, daß das Gegenteil stimmen könnte. In der Zwischenzeit wird der offizielle Multikulturalismus als therapeutisches Mittel eingesetzt, um die unglücklichen, aber nur „zeitweiligen“ kulturellen Spannungen zu verwalten.