Die Banalität des Bösen. Mitglieder der 33. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister sowie -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK). Einzig Bayern widersetzte sich der Legalisierung der Tötung ungeborener Kinder.
Gastkommentar von Hubert Hecker
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Es bedeutet eine Dammbruch-Argumentation, wenn die Kommission die Rechte einer Menschengruppe (die der Schwangeren) über das Grundrecht auf Leben einer anderen Menschengruppe (die der Ungeborenen) stellt.
Die weitere Begründung der Kommission für diese asymmetrische Rechtezuschreibung lautet: „Wegen der existenziellen Abhängigkeit des Ungeborenen vom Körper der Schwangeren spricht viel dafür, dass das Lebensrecht pränatal mit geringerem Schutz zum Tragen kommt als für den geborenen Menschen.“ Das ist allerdings eine entlarvende Argumentation, wenn „ein Höchstmaß an Abhängigkeit und Vulnerabilität als Grund für geringere Schutzwürdigkeit“ angeführt wird, wie die FAZ kommentierte.
Offensichtlich sind diese interessengeleiteten Argumentationskonstrukte zugunsten der stärkeren Position der Frau und zulasten des schwachen und schutzbedürftigen Embryos willkürlich und mit den Werten unserer Verfassung unvereinbar. Das wird in den folgenden drei Begründungskomplexen aufgezeigt:
Die Kommissionsautorinnen legen eine Abstufung des Lebensrechts von Ungeborenen zugrunde, das von dem sehr niedrigen Niveau der ersten Lebenswochen bis zur Geburt graduell auf Vollwertigkeit anwachsen soll. Dieser Ansatz widerspricht begriffs- und rechtslogisch dem Grundgesetz. Allein die Bezeichnung der Menschenwürde als „unantastbar“ in Art. 1 Abs. 1 GG lässt das Gradualitätsargument durchfallen. Die Grundrechte gelten oder gelten nicht, ein bisschen Grundrechtsschutz gibt es ebenso wenig wie ein bisschen Schwangerschaft. Ein stückweit Menschenwürde zu gewähren oder das unteilbare Lebensrecht des Ungeborenen bruchstückhaft zuzuschreiben hieße beide Grundrechte abzuschaffen.
Die Folgewirkungen dieser Grundrechtsverbiegung wären fatal. Wenn Lebensrecht und Menschenwürde in der ersten Lebensphase des Ungeborenen relativiert werden können, ist die Tür geöffnet für die Antastung des Lebensrechts auch bei Geborenen. Die Autorinnen fordern etwa in der Spätphase der Schwangerschaft bis zur Geburt das indizierte Recht auf Abtreibung von einem behinderten Kind. Nach der Rechtslogik gäbe es dann für die Kindereuthanasie keine Grenze mehr, wie es in einigen westlichen Ländern schon geschieht. Auch erwachsene Schwerbehinderte sowie kranke und greise Menschen in der letzten Lebensphase könnten sich ihres Lebens nicht mehr sicher fühlen, wenn die sakrosankte Menschenwürde auf relative Lebenswertigkeit reduziert würde.
Weiterhin sprechen die vier SKIP-Argumente gegen eine Abstufung der Grundrechte auf Leben und Menschenwürde:
- Erstens: Weil die Ungeborenen wie Geborenen gleichermaßen der Spezies ‚Mensch‘ angehören, genießen beide zwingend den gleichen grundrechtlichen Schutz ohne jegliche Einschränkungen.
- Da sich – zweitens – der ungeborene Mensch in Kontinuität entwickelt ohne qualitative Zäsuren, gibt es keinen sachlichen Grund für eine Abstufung des Würdeschutzes etwa vor der zwölften Schwangerschaftswoche.
- Drittens handelt es sich bei dem Ungeborenen um ein individuelles, in seiner genetischen Identität in Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit festgelegtes Leben, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt hat.
- Schließlich ist auf das angelegte Potential des Ungeborenen hinzuweisen, der sich zum geborenen Menschen und später zur Person entwickelt.
Die Kommissionsautoren setzen sich mit den aufgezeigten drei Argumentationskomplexen nicht inhaltlich auseinandersetzen, sondern tun sie pauschal als überholte Rechtsmeinungen ab. Wissenschaftliches Vorgehen dagegen würde erfordern, die eigenen Hypothesen dem Feuer der Gegenpositionen auszusetzen (Falsifizierungsvorbehalt), um als gesicherte Positionen gelten zu können.