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Ein Kommentar von Don Michael Gurtner*
In den letzten Wochen häufen sich – mit vollem Recht – die empörten, teils auch prominenten und klerikalen Stimmen darüber, daß der Führer einer Religionsgemeinschaft, namentlich der Papst selbst, die Wahrheit und vor allem auch die Heilsrelevanz seiner eigenen katholischen Religion verneint. Alle Religionen seien als solche von Gott gewollt, alle seien gut, keine mehr oder weniger wahr, sie seien wie verschiedene Sprachen derselben Sache, die letztlich alle zu Gott führten – wobei die Frage offen bleibt, welcher Gott mit dem „einen Gott“ überhaupt gemeint ist, was sein Wille für uns Menschen ist, wer er sei, und was wir von ihm wissen.
Unangenehm fällt die Distanz, ja der Gegensatz zur traditionellen kirchlichen Lehre auf. Es scheint im Vergleich zu vor 50 oder 100 Jahren wie eine völlig andere Religion zu sein, die wir da hören, eine neue Religion, die sich in verwendetem Vokabular wie Inhalt extrem und betont auffällig mit dem deckt, wofür die Freimaurerei klassischer Weise als deren Grundanliegen eintritt und wofür sie von der katholischen Kirche immer als unvereinbar mit dem katholischen Glauben deklariert wurde und daher der Exkommunikation unterliegt: im CIC 1917 noch explizit, im CIC 1983, welcher die nachkonziliare Theologie in sich verarbeitet hat, immerhin noch implizit, jedoch offiziell bestätigt durch eine eigene Note vom damaligen Glaubenspräfekten Ratzinger. Nun ist es plötzlich aber der Papst selbst, der ihre Thesen mehr überzeugt als überzeugend vertritt, der das absolute Wahrsein des katholischen Glaubens verneint und ebenso dessen Heilsnotwendigkeit und sich damit offen in Widerspruch zu des Heilands Wort und Auftrag setzt – ganz so, als ob er ohnedies nicht an ihn glaube.
Und selbst wenn vorläufig noch von „einem Gott“ als Minimalstvariante des Glaubens die Rede ist, von der man irrig meint, daß sich die meisten auf sie einigen können, muß man sagen, daß solch ein diffuser, nebulöser Gott in Wirklichkeit nur noch ein Feigenblatt ist, das man verschämt vor seine religiöse Blöße hinhält, um sich nicht vor aller Welt offen als Atheist bekennen zu müssen, denn letztlich hat ein solcher Gottesbegriff nichts mehr mit dem wahren Gott der Offenbarung zu tun – ein solcher Indifferentismus ist im Grunde genommen ein praktischer Atheismus, denn „Gott“ dient hier nur noch als platzhaltender Sammelbegriff für etwas nicht näher Bestimmtes, wo jeder einsetzen und denken kann, was ihm selbst beliebt. Aber solch ein Gottesbegriff ist von keiner Realität mehr erfüllt, er beschreibt keine Wirklichkeit, er ist inhaltlich komplett leer.
Was vielen Kritikern jedoch bei all deren berechtigten und auch nötigen Mißbilligung nicht aufzufallen scheint, ist, daß solche Aussagen, die sie als skandalös betrachten, in ihrer letzten Konsequenz die logische und auf Dauer auch notwendige Frucht des Zweiten Vatikanums sowie der nachkonziliaren Praxis sind. Es läßt sich ein roter Faden ausmachen zwischen den Kirchenreformen des 20. Jahrhunderts und den römischen Entwicklungen der letzten Jahre. Das darf uns auch nicht wundernehmen, denn sie fußen auf denselben philosophischen und theologischen Grundsätzen, und die heutige Entwicklung ist nichts anderes als die Umsetzung und Fortschreibung des letzten Konzils und seiner Reformen, die aus ihm entwachsen. Je eher wir dies erkennen und auch anerkennen, desto eher werden wir auch geeignete Gegenmaßnahmen einleiten können – andernfalls wird der Glaube vorher noch komplett verschwinden.
Aber skizzieren wir zumindest die groben Linien der Entwicklung, die in nur wenigen Jahren zum „katholischen Atheismus“ geführt hat.
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