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Die Krise des Westens ist daher nicht nur politischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern zutiefst ontologischer und axiologischer Art. Die Rechtsordnung hat ihre Daseinsbegründung verloren, weil sie ihr Fundament in der „lex naturalis“ – der Teilhabe des vernünftigen Geschöpfs an der „lex aeterna“ – verleugnet hat.
Das Naturrecht ist kein von oben auferlegter Regelkatalog, sondern die erkennbare Ordnung des Seins, die von der rechten Vernunft als Maß des Gerechten erkannt werden kann. Nur innerhalb dieses Horizonts kann dem Recht, der Gerechtigkeit und der Freiheit wieder Bedeutung verliehen werden.
Wahre Freiheit ist nicht Willkür, sondern Übereinstimmung des Handelns mit der Wahrheit des Seins. Sie ist „libertas per veritatem“, nicht „libertas a veritate“. Der einzige Weg zur Wiederherstellung der politisch-rechtlichen Ordnung führt daher über eine Neugründung des gesamten normativen Systems auf Grundlage der Ontologie des Naturrechts.
Dies setzt eine radikale intellektuelle Umkehr voraus: vom Positivismus zum Essentialismus, vom Formalismus zum Finalismus, vom Subjektivismus zum Realismus. Ohne diese Rückkehr zu den metaphysischen Wurzeln des Rechts wird jeder institutionelle Reformversuch wirkungslos bleiben, da er sich weiterhin innerhalb der Koordinaten eines selbstzerstörerischen Paradigmas bewegt.
Wie schon der heilige Thomas von Aquin (1225–1274) mahnte: „Lex humana, si non sit secundum rationem, non est lex sed corruptio legis“ – Ein Gesetz, das nicht der natürlichen Vernunft entspricht, ist kein Gesetz, sondern eine Verderbnis des Gesetzes. Die Demokratie muß sich daher, um wahrhaftig zu sein, wieder als auf die Gerechtigkeit ausgerichtet verstehen – und die Gerechtigkeit wiederum muß ihr Fundament in der Wahrheit des Seins erkennen. Ohne dieses Fundament verfallen Institutionen zu Herrschaftsinstrumenten, Rechte zu selbstbezogenen Ansprüchen, Freiheit zu einem Trugbild.
Das Schicksal der westlichen Demokratien hängt nicht von einer effizienteren Machtverteilung ab, sondern vom Wiedererkennen des Primats der Wahrheit über das Handeln, des Naturrechts über die Normproduktion, des Gemeinwohls über das subjektive Interesse.
Jeder andere Entwurf bleibt substanzlos – bloße juristische Tautologie in einem Universum, das den Logos verstoßen hat.
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