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Wachstumspotenziale liegen im Digitalen

In das Krisengerede von den Grenzen oder Gefahren des Wachstums wollten aber weder er noch die in Stuttgart versammelten Fachleute mehrheitlich einfallen. Zu spüren war eher eine energiegeladene Aufbruchsstimmung, der Wille, die schwierigen Herausforderungen anzupacken und das Museum fit für die Zukunft zu machen. Grasskamps Klage etwa, dass die Sammlungen Eisbergen glichen, von denen nur die Spitze sichtbar sei, während der ins Unermessliche wachsende Rest in den Depots verschwinde, hielt der Berliner Journalist Nikolaus Bernau Schaudepots nach angelsächsischem Muster entgegen. Auch in Rotterdam sei solch ein großer, begehbarer Bilderspeicher mitten in der Stadt geplant. Da so etwas aber wiederum zu neuem Wachstum und neuen Folgekosten führen würde, geben Museen meist den kostengünstigeren Kunstlagern den Vorzug, die der Unternehmer Hans Ewald Schneider vorstellte.

Wo die von Theresia Bauer geforderten qualitativen Wachstumspotenziale liegen könnten, zeigten vor allem Inka Dröge­müller und Barbara Welzel auf. Drögemüller ist unter anderem für die Digitale Sammlung und Online-Angebote des Frankfurter Städel-Museums zuständig. Die Digitalisierung der Bestände sei nicht nur eine Alternative zum teuren Schaudepot. Durch die kostenlosen „Digitorials“ – erklärende Einführungen zu den Wechselausstellungen – und einen Fundus von bisher rund 800 Werken im digitalen Bestandskatalog, die nach Künstlern, Motiven und Techniken, aber auch nach Themen wie „romantisch“, „lustvoll“ oder „unheimlich“ verschlagwortet sind, sei es gelungen, ein zuvor unerreichbares junges Publikum für das Museum zu interessieren. Selbst Jungs, die besonders schwer ins Museum zu bekommen sind, fühlten sich angesprochen. Der von dem Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich beschriebenen Tendenz der Öffentlichkeit, das Museum als Institution wahrzunehmen, wo vornehmlich die eigene Kreativität stimuliert werde – ganz im Sinne des Beuys’schen Diktums „Jeder ist ein Künstler“ – kommt diese „Erweiterung in den digitalen Raum“ offensichtlich entgegen.

Welzel schließlich beschwor das Pathos, mit dem die Französische Revolution einst die zuvor höfischen Kunstsammlungen „für das Volk“ geöffnet hatte. Das gleiche Pathos schwang in ihrer Aufforderung mit, diesen „Schwur“ zu erneuern. Die Frage, ob Museen eine Zukunft haben, sei weniger ein Kultur- als ein Menschenrechtsdiskurs. „Was tun wir“, fragte die Kunstgeschichtsprofessorin von der TU Dortmund, „um den Wissensdurst junger Menschen zu befriedigen?“ In dieser Hinsicht hapere es bei den allermeisten Häusern noch an der Besucherfreundlichkeit, angefangen von den Öffnungszeiten, die kaum auf Berufs­tätige Rücksicht nehmen. „Wir sollten nicht darüber reden, ob wir Museen zumachen, sondern, wann wir sie aufmachen.“

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